Antoinette Flegenheim

 

Nach langer Forschung ist es mir gelungen, das Mysterium Antoinette Flegenheim etwas aufzuklären.

Über sie gab und gibt es viele Unklarheiten, einmal war sie eine Dame der Gesellschaft aus Philadelphia (1), dann die Witwe eines schwerreichen Diamantenkönigs (2), dann wieder die Witwe eines amerikanischen Bankiers. (20)

Tatsache war, dass sie eine sehr reiche Witwe war, die ihr Leben damit verbrachte zwischen New York und Berlin-Charlottenburg zu pendeln. (3)

 Hier nun die bisher ermittelten Fakten:

 Berta Antonia Maria Wendt wurde am 11.5.1863 um 8 Uhr früh in Himmelpfort bei Fürstenberg an der Havel als Kind der Eheleute Wilhelm Karl Ferdinand Wendt, königlicher Hilfsaufseher und Pauline Anna Dorothe, geb. Wagner, geboren und am 7.6.1863 durch Pfarrer Brühl getauft. (4)

  Im Brandenburgischen Landesarchiv fand ich einen Hinweis auf den Vater. Er war gebeten worden, als Zeuge, den Amtseid des „versorgungsberechtigten Jägers Albert Ferdinand Dalchow“ bei der Übernahme der Försterei Buchholz zu unterschreiben. (5)

Seine Unterschrift scheint die eines gebildeten Mannes zu sein, was auffällig ist. Auffällig ist auch, dass er als Hilfsaufseher, d.h. in eher untergeordneter Stelle als Zeuge bei diesem wichtigen Amtsakt auftrat. Anzunehmen ist, dass er dort eine Art Praktikum machte.

Von einem Forscher über preußische Forstämter (6) habe ich erfahren, dass es möglich gewesen sei, dass er dort ein Praktikum machte, um sich für den Beamten-Beruf eines königlichen Försters vorzubereiten. Weiter habe ich erfahren, dass es in Preußen damals wahrscheinlich nur zwei Wendts gab, die königliche Förster waren (einer war ein Friedrich Wendt, geb. 22.12.1824 – der andere eine Oberförster Wendt). Da es damals schön üblich war, dass das Amt eines Försters in der Familie blieb, könnte ersterer der Vater von W. C. F. Wendt gewesen sein.

Antonia hatte noch drei Geschwister,  die am 12.4.1866 geborene Juliane Johanna Wendt, getauft am 27.5.1866 in Himmelpfort und den am 7.7.1867 in Himmelpfort geborenen Alexander Otto Wendt, getauft durch Pfarrer Funke am 25.8.1867. (4)

Die Schwester Anna Elisabeth Hermine Wendt wurde am 24.2.1871 in Berlin geboren und in der Luisenstädtischen Kirche am 2.7.1871 getauft. Die Mutter entband  in der Annenstraße 10 in Berlin-Mitte. Als Vater war der königliche Förster in Heydemühle angegeben. (7)

Anzunehmen ist, dass der Vater als Beamter nach Heydemühle versetzt worden ist, es gab damals in Preußen verschiedene Forststellen mit ähnlichem Namen, am wahrscheinlichsten ist, dass es die Försterei Heydemühle bei Allenstein in Ostpreußen war. (8)

Als Beamter war er weisungsgebunden und wahrscheinlich hat seine Frau in Berlin entweder bei einer Verwandten oder Hebamme entbunden.

 Einige Zeit nahm in Anspruch, dass in der Encyclopedia Titanica ihr Mädchenname mit Liche angegeben war, was daher rührte, dass amerikansiche Forscher fälschlicherweise angenommen hatten, da eine 14-jährige Nichte mit Namen Elsie Liche – es kann auch als Liebe gelesen werden - in New York bei ihr du ihrem Mann gelebt hatte, sie eine geborene Liche sein müsse. 1897 ist Tony Flegenheimer lt. Nutzer „Kasstor“ bei Ahnenforschung.net auf der „Fürst Bismarck“ mit dem 8-jährigen Curt Liebe nach New York gereist.)

 Weiterhin taucht eine Toni Wendt aus Penzlin auf, die am 18.5.1875 geboren wurde. Ich habe den Bürgermeister von Penzlin angeschrieben, doch hat man dort im Archiv keine Nachforschungen betrieben. Sie kommt ohnehin nicht in Frage, da sie ja bei der Hochzeit mit ihrem ersten Mann mit 15 Jahren zu jung gewesen wäre. (9)   

Jedenfalls wird bei der Einwanderungsbehörde in New York am 20.10.1890 auf dem Schiff „Suevia“ eine Toni Wendt (geschrieben Joni) aus Berlin, Preußen erwähnt. Sie gibt ihr Alter mit 22 Jahren an (es müsste 27 sein – Lesefehler?). Abfahrt ab Hamburg am 5.10.1890. (10)

 Die Unklarheit mit ihrem Geburtsjahr zieht sich durch etliche ihrer Angaben. Sie hat das wohl nach Gusto geändert, so wie ihren Namen, was in den USA möglich war, da es ja keine Meldepflicht gab, lediglich Volkszählungen. (11)

 Sie scheint in Berlin gelebt zu haben und hat dort ihren späteren Mann, Alfred Flegenheimer

kennen gelernt. Alfred Flegenheimer, geb. am 28.10.1869 stammte aus einer jüdischen Familie aus Frankfurt am Main. (12)

Alfred hatte einen Bruder, Helmut, einem der Filmpioniere Deutschlands. Dieser war 1898 in die USA gereist, wahrscheinlich zum Bruder, damals hatte er noch seine Frankfurter Adresse angegeben. Er war mit einer Berta verheiratet, die wohl mit ihm nach Großbritannien emigrierte und in Juni 1938 eingebürgert wurde – damalige Wohnanschrift 6 Dorset Court, Dorset St. W 1. (13)

Die Schwiegermutter Bertha Flegenheimer war mit ihren Söhnen nach Berlin übergesiedelt und wohnte in der Villengegend Regentenstraße 2. Diese gibt es heute nicht mehr, sie ist am Rande des Tiergartens auf dem Gelände neben dem jetzigen Museum für Kunstgewerbe – heute Tiergartenstraße.

 Wie Antonia/Tony/Toni/Antoinette Wendt ihren Mann kennen gelernt hat ist unbekannt. Bekannt ist, dass er am 4.8.1890 mit der „Servia“ in New York angekommen ist. Sie reiste – wie bereits erwähnt – am 20.10.1890 nach New York und heiratete am 1.11.1890 in Manhattan. Als damalige Wohnanschrift war 13072 W 530 in Manhattan. Als Beruf war Verleger angegeben. 1900 ist er dann gemeldet im „The Dorilton“, 110 Wooster, Manhattan – einer luxuriösen Wohnanlage und als Beruf ist Vizepräsident angegeben. 1907 wird als Wohnanschrift das Hotel St. Regis, 2 E 55th in Manhattan vermerkt. Die Hotels existieren noch und sind als sehr pompös zu bezeichnen.

 

Am 27.2.1902 nahm er an dem großartigen Empfang des deutschen Prinzen Heinrich im Arion Club in Manhattan teil, dazu waren einige Hundert erfolgreiche deutschstämmige Geschäftsleute von der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft eingeladen worden. Mehrere tausend Bürger hatten dem Prinzen auf der Straße zugejubelt. (14)

Am 13.9.1904 wurde Alfred Flegenheimer eingebürgert. (15)

 Tony Flegenheimer war einige Male nach Europa gereist, so ist am 3.10.1905 ihre Ankunft in New York mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II. von Cherbourg, am 24.3.1906 mit der „La Savoie“ von Le Havre und am 24.10.1906 mit dem „Kronprinz Wilhelm“ von Cherbourg nachgewiesen. (16)

Am 23.11.1907 verstarb Alfred relativ jung und hinterließ eine sehr reiche Witwe. Sie ließ seine Leiche inbalsamieren und bis zur Überführung zum Frankfurter Jüdischen Friedhof am 21.1.1908 im Salem Fields Cemetery aufbewahren. (17)

 

Tony Flegenheimer nannte sich seit einiger Zeit Antoinette Flegenheim und wohnte nur in luxuriösen Apartments oder Hotels in New York, z.B. im Hotel St. Regis oder 1910 am Broadway 3458.

 Gleichzeitig hatte sie in Charlottenburg, das damals noch nicht zu Berlin gehörte, eine Wohnung im zweiten Stock in der Windscheidtstr. 41.

   In den Berliner Adressbuchern von 1912 ist sie als Antoinette Flegenheimer unter dieer Adresse zu finden. Die Schwiegermutter Bertha Flegenheimer ist noch bis 1915 in der Regentenstraße aufgeführt. (18)

   Wahrscheinlich hat sie anlässlich eines ihrer Berlin-Besuche im  Reisebüro des früheren Hotels Bristol, Unter den Linden 5-6 ihre Passage für die Titanic gebucht.

 Ihr Passagierschein der 1. Klasse hatte die Nummer 17598 und hatte sie 31 britische Pfund, 13s, 8d gekostet. Sie ist in Cherbourg an Bord gegangen. Sie berichtete später, dass sie an Bord des Tenders (von ihr als „funny small tender“ bezeichnet) – der Nomadic – ein junges Mädchen gesehen habe, das bereits da schon seekrank gewesen sei. Wahrscheinlich handelte es sich um Frl. Fröhlicher.

   An Bord bewohnte sie die Kabine 8 auf Deck D. Sie beschreibt nämlich, dass ihre Freunde, Frau Blanche Greenfield und ihr Sohn William die Kabinen D 10 und D 12 bewohnten uns die lagen gegenüber ihrer Kabine. Da in D 6 Clyde Long untergebracht war, kann sie nur in D 8 gewohnt haben. Das ist in der Forschung bisher nicht berücksichtigt worden.

 Den Vorgang nach der Kollision beschreibt sie so (zitiert nach einem Artikel, s. 19):

Sie sei nach der Kollision aufgewacht und habe sich nur notdürftig angezogen. Als sie an Deck war, wollte sie noch einmal umkehren, um sich wärmere Sachen zu holen, doch ein Offizier hätte sie gestoppt und sie in „das erste Rettungsboot, welches das Schiff verließ“ – zusammen mit anderen weiblichen und männlichen Passagieren - geschickt. Um diese Zeit sei das Deck fast leer und alles ruhig gewesen und sie hätte nicht daran gedacht, dass es sich um einen Notfall handeln könne. Sie habe angegeben, dass sie keine Angaben über die Erlebnisse anderer Passagiere während des Untergangs aus persönlicher Erfahrung machen könne, da sie ja so bald das Schiff verlassen habe. Es sein kein Proviant im Rettungsboot gewesen und schlimmer, auch kein Wasser.

 

Antoinette sei nach der Landung der „Carpathia“ am 18.4.1912 in New York erschöpft gewesen und hätte es vorgezogen, erst einmal bei anderen Freunden (dem Ehepaar Frank in New York) zu bleiben und nicht bei den Walkers, die sie abgeholt hatten. Da sie alles verloren hatte, musste sie sich auch erst neu einkleiden. Außerdem sei sie durch die „acht Stunden auf offener See“ (sic) im Rettungsboot noch zu geschwächt gewesen.

 Als Hauptverantwortlichen – so die Angaben von Frau Walker – hätte Antoinette den Direktor der White Star Line Ismay angesehen. Dieser hätte Kapitän Smith nie mit der Aufgabe betreuen dürfen, das modernste und größte Schiff am Ende seiner beruflichen Karriere zu führen. Denn dieser habe dann von sich aus versucht etwas Großartiges zu leisten  - um die „Bewunderung der Marinewelt“ auf sich zu ziehen. Deshalb habe er das Schiff „mit Höchstleistung durch die gefährliche See“ gefahren.

 Sie überlebte und wurde in Boot 7 gerettet. Der New York Herald vom 19.4.1912 berichtete, dass sie bei der Ankunft in New York keine Angaben machen wollte, da in ihrem Rettungsboot ein Zettel herumgereicht worden sei, in dem die Überlebenden gebeten worden waren, keine Angaben über den Untergang zu machen. Sie sagte, dass sie sich an diese Vereinbarung gebunden fühlte.

Antoinette berichtete in dem Interview weiterhin von ihren Beschwerden bei der Schiffsleitung, da z.B. die Elektrizität und damit die Heizung in ihrer 1.-Klasse-Kabine (gegenüber der Kabine der Greenfields, also auf dem D-Deck - sie hatte dafür 31.13.8 Pfund Sterling bezahlt) ausgefallen sei.

Am letzten Abend sei sie – wie viele andere – sehr bald ins Bett gegangen und gegen 22 Uhr eingeschlafen. Sie bestätigte, dass kein Tanz oder Partys stattgefunden hätten und sie auch keine alkoholisierten Passagiere oder Mannschaftsangehörige gesehen hätte, wie andere behauptet hätten. Sie sei gegen ¾ 12 Uhr durch einen lauten Schlag mit nachfolgendem Schleifgeräusch aufgewacht. Sie habe sich – nachdem sie noch 10 Minuten im Bett verbracht hatte und ihr dann aufgefallen war, dass die Maschinen gestoppt hätten - ein wärmeres Nachtgewand und Hausschuhe angezogen und klingelte nach dem Steward, der aber nicht kam. Am Gang seien zwei Stewardessen gewesen und hätten die Passagiere gebeten, die Kajütfenster zu schließen. Sie suchte dann Blanche Greenfield in deren Kabine auf und sah, dass diese sich voll angezogen hatte und einen Rettungsgürtel anlegte. Sie hatte von ihrem Sohn erfahren, dass das Schiff eine Eisberührung gehabt hätte. Er sei Zeuge gewesen, als er im Rauchersalon Karten mit einem Bekannten gespielt hätte.

Interessant ist, dass sie angab, dass William Greenfield mit „einem anderen jungen Mann aus Köln“ (es handelte sich um Alfred Nourney, wahrscheinlich sein Spielpartner) erschien und beide dringend baten, dass sie sich ankleide und an Deck komme. Das tat sie dann auch und steckte noch einiges Geld ein. Sie wollte dann noch beim Purser ihre Wertgegenstände abholen, doch war der Schalter geschlossen. Da sie keine Schwimmweste angezogen hatte gab ihr ein anderer Passagier eine und ihr hinzugekommener Begleiter Blank redete ihr zu, dass sie die anlegte, da sie zumindest vor der eisigen Kälte auf Deck etwas Schutz böte.

Ein Steward rief dann, dass alle Damen nach Backbord gehen sollten, da aber eine Tür nach Steuerbord aufging, seien sie alle auf diese Seite des Decks gegangen und der dort anwesende Offizier Murdoch habe die ersten Rettungsboote startklar gemacht.

  Sie erwähnte den Lärm der Schiffsirenen und dass sie beinahe ihren Hut verloren hätte, den Murdoch auffing und ihr sehr höflich zurückgab. Ohne Eile seien sie dann in das Boot (es handelte sich um das Boot 7, welches als erstes das Schiff verlassen hatte) gestiegen – etwa 30 Leute, Frauen und Männer – und seien auch mit Decken versehen worden. Die Besatzungsmitglieder im Boot waren ihren Angaben nach wenig geschult und hatten Schwierigkeiten, die Seile zu lösen, als sie auf der ruhigen See aufsetzten.

Erst da sei Ihnen die Gefährlichkeit der Situation bewusst geworden, als sie sahen, dass das voll erleuchtete Schiff nach vorne absackte. Es sei ein surreales Schauspiel gewesen.

  Nach dem Untergang seien die Schreie der Opfer herzerweichend und unerträglich gewesen. Fr. Greenfield habe sich die Ohren zuhalten müssen. Der junge Kölner habe die „verrückte Idee“ gehabt einen Revolver zu ziehen und leer zu feuern. („Gott weiß warum.“). Nach mehr als vier Stunden sei dann die „Carpathia“ erschienen und sie seien mit Schlingensitzen an Bord gezogen worden und die Besatzung habe sich hervorragend der Schiffbrüchigen angenommen.

 Sie habe durch die Kälte sehr gelitten, doch die Narben, die am meisten schmerzten, seien solche, die „man nicht sehen oder behandeln könne und die sehr viel tiefer gingen“. So der Bericht von Antoinette in besagtem Magazin. (19)

 Im Berliner Lokalanzeiger vom 19.4.1912 erschien dann eine kurze Notiz, wonach eine Antoinette Flegenheim dem Reporter erzählt habe, dass ihre Schwester Dingckhoff-Haack auf der Titanic gewesen sei, jetzt aber durch Telegramm ihr Überleben signalisiert habe. Sie sei mit den befreundeten Grünfelds durch Europa (Paris, London) gereist und habe sich einige Wochen in Berlin aufgehalten. Offenbar handelt es sich dabei um eine Namensverwechslung. Tatsache ist, dass sich in der Windscheidstraße 12, 3. Stock (also in unmittelbarer Nähe der Wohnung von Antoinette Flegenheim) damals die Witwe Hanny Dickhof-Haack gemeldet war. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Juliane Johanna Wendt, geb. 12.8.1866 in Himmelpfort. Ihr Mann war der Schauspieler und Regisseur Hermann Dickhoff-Haak (die verschiedenartigen Schreibweisen wurden dam Adressbuch entnommen!), damals noch in der Windscheidstraße 17 gemeldet, gewesen. (18)

 Im gleichen Blatt fand ich dann auch ein Foto von Antoinette Flegenheim. Es war unterschrieben mit „Frau Flegenheim, eine Berlinerin, die als Gemahlin eines jetzt verstorbenen amerikanischen Bankiers lange in Amerika gelebt hat, befindet sich unter den geretteten Passagieren der Titanic.“ (20)

 Das Leben von Antoinette Flegenheim ging weiter. Sie heiratete am 20.6.1912 in Buffalo, NY Paul Elliot White-Hurst. (21)

   Die Großnichte von P.E. Whitehurst, Jane Lowe aus England berichtete, dass P.E. Whitehurst mit der „Minnetonka“ von England nach New York reiste und dort als „Tourist“ am 29.5.1912 ankam und als Zielort Toronto angegeben hatte. Das ergaben auch die Einträge von Ellis Island. Es ist anzunehmen, dass er Antoinette Flegenheim mit Sicherheit vorher schon gekannt hat.

 P.E. Whitehurst gab in dem Hochzeitsdokument als Beruf „Direktor“ und als Wohnort Toronto, Kanada an. Es war seine erste Ehe und er war 35 Jahre alt. Er hatte nach Angaben von Jane Lowe an einer englischen Universität und auch an der Sorbonne in Paris und an der Berliner Universität studiert und sprach fließend Deutsch und Französisch. Er war vor dem 1. Weltkrieg Direktor einer Gesellschaft und war beruflich häufig auf Reisen.

 Antoinette gab ihr Alter auf der Heiratsurkunde mit 42 Jahren an. Als Beruf hatte sie „ohne“ angegeben, den hatte sie ja auch nicht nötig, sie war ja eine reiche Witwe.

 In dem Dokument tauchen tauchen folgende Angaben auf:

 

-         als Geburtsort wird „Deutschland“ angegeben und dahinter ein schlecht lesbarer Vermerk in Klammern (Himmelfort)

-         als Vater wird Wilhelm Windt (sic) genannt

-         als Mutter wird Pauline Wagner angeführt

  Es existiert ein Militärvermerk über Leutnant P.E. Whitehurst aus dem 1. Weltkrieg und es sieht so aus, wie wenn er sich, bzw. seine deutsche Ehefrau schützen wollte. Als seine nächste Angehörige gab er sie, nämlich Antoinette Whitehurst an, die in Harriseahead, Staffordshire, England (das war die Anschrift seiner Eltern) lebte. Er gab dann an, dass er sie als ledige (sic) Antoinette Wendt am 6.6.1912 in Buffalo, USA geheiratet hätte. Das Heiratsdokument weist aber ein anderes Datum auf und weist Antoinette als verwitwet aus! Die Großnichte Jane Lowe war immer davon ausgegangen, dass er erst mit 55 Jahren seine erste Ehe eingegangen war, doch das Dokument aus den USA bewies das Gegenteil.

Er war im Ersten Weltkrieg beim britischen Kriegsministerium als Übersetzer beim Geheimdienst beschäftigt. In seinem erhaltenen Personaldokument von 1915 (auch von Jane Lowe übermittelt) wird berichtet, dass nichts Nachteiliges über ihn bekannt sei, außer dass er eine deutsche Frau habe!

 Sie hatten keine Kinder. Als seine damalige Adresse hatte er einen Club (der heute nicht mehr existiert) am Piccadilly 211 angegeben. Von dort war es ja nicht weit bis zu seiner Arbeitsstelle.

 Antoinette hat dann am 24.12.1912 unter ihrer Adresse in Charlottenburg (die im Adressbuch 1913 unter P.E. Whitehurst eingetragen war) einen Antrag auf Schadensersatz gestellt. Sie hätte zweimal versucht, aus dem Schiffsafe ihre Wertsachen (zwei Päckchen) zu erhalten, doch sei der Schalter nach der Kollision nicht besetzt gewesen.

In der Forderung, die beim „U.S. District Court for the Southern District of New York“ eingereicht worden war, wird sie als Antoinette White-Hurst (früher Flegenheim) aktenkundig. Sie selber unterschrieb ihre Forderungen mit „Mrs P.E. White-Hurst formerly Mrs Antoinette Flegenheim“. Als Verlust an Wertsachen gibt sie 3.682,00 US-$ für Ausstattung und 14.707,00 US-$ für Schmuckgegenstände (Diamanten) und Bargeld an. (19)

 Weiter wird in dem Papier angegeben, dass seine Frau seit Oktober 1914 in Den Haag, Niederlande gelebt und Verbindung zu „Verdächtigen“ (es waren ja Kriegszeiten!) hatte, u.a. war sie mit dem Grafen Bylandt befreundet.

- Zur Erklärung muss folgendes erwähnt werden. Sie hatte ja vor dem 1. Weltkrieg P.E. Whitehurst geheiratet und erhielt somit automatisch die britische Staatsangehörigkeit. Deshalb musste sie Deutschland verlassen.

Offenbar war sie dann in die neutralen Niederlande emigriert und da sie ja eine „Dame der Gesellschaft“ war, hatte sie auch dort mit dem Grafen Bylandt Kontakt. Die Bylandts sind ein altes rheinisch-deutsches und später auch österreichisches Geschlecht (Grafen Bylandt waren österreichische Politiker und das Wappen der Bylandts findet sich in dem der Stadt Mönchengladbach). -

Ansonsten wird dem Ehemann von Antoinette in dem Personaldokument ein guter Charakter bescheinigt.

 Ursprünglich war ich wegen des ersten Ehemanns von Antoinette davon ausgegangen, dass sie Jüdin gewesen sei, was nicht stimmte. Bei der Jüdischen Gemeinde Berlin fanden sich auch keine Hinweise – aber auch nicht auf ihren ersten Mann, da dieser wahrsheinlich säkularer Jude war.

Denn nach den im Netz zu findenden Aufzeichnungen von Harriseahead und Stafford gibt es den Namen Whitehurst dort sehr häufig. In der Regel sind es Minenarbeiter gewesen und die der dort vorherrschenden Konfession der Wesleyaner angehörten. Von Jane Lowe habe ich später erfahren, dass die Eltern von Paul Elliot strenge Methodisten waren und der Vater bei einer Versicherung gearbeitet habe.

In der Heiratsurkunde (21) mit Antoinette hatte Paul Elliot angegeben, dass sein Vater Paul Whitehurst und seine Mutter Mary Holdcroft waren. Tatsächlich findet sich im Internet über Zivilheiraten in Stoke-on-Trent bei der Gemeinde Wolstanton eine Eheschließung im Jahre 1867 von Paul Whitehurst und Mary Holdcroft verzeichnet. Ein Beruf ist nicht angegeben. Da sein Vater kein Bergarbeiter war (nach Angaben seiner Verwandten Jane hat er sich von einem Angestellten eines Bergwerks in eine leitende Stellung einer Versicherung hochgearbeitet), ist es auch nicht verwunderlich, dass sein Sohn Paul Elliot in England und im Ausland studieren konnte. Im Census von 1881 von Staffordshire findet sich der Sohn als Schüler von 13 Jahren verzeichnet.

 Sie lebte während des 1. Weltkriegs in den Niederlanden, in Den Haag. Zuerst in einem wohlhabenden Viertel Statenkwartier in der Anthonij Duijckstraat 88 und später dann im nicht so reichen Stadtteil Regentessekwartier in der Weimarstraat 33. Bei einer erneuten Überprüfung wurde festgestellt, dass sie ohne Abmeldung die Stadt, wahrscheinlich nach Deutschland, 1920/21 verlassen hatte. (21)

 Paul Elliot heiratete lt. Jane Lowe 1932 ein zweites Mal. Wahrscheinlich war die erste Ehe geschieden worden, wann und wo ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt.

Jane Lowe – offensichtlich eine sehr gute Forscherin - hat dann noch eine Riesenüberraschung bei „Ancestry“ gefunden. Antoinette Whitehurst lebte in München (Nibelungenstraße 90)!

Interessant ist, dass im Adressbuch von München der Eintrag für Antoinette – sie schrieb sich hier wieder White-Hurst – vor dem der Vertretung der White Star Line in München steht. (22)

 Eine erfreuliche Überraschung erlebte ich durch die Mitteilung des Stadtarchivs München. Der Archivdirektor teilte mir mit, dass Antoinette Whitehurst  am 11.5.1863 in Himmelpfort geboren worden sei (Dank sei dem deutschen Meldewesen!) und bis 1938 in der Nibelungenstraße 90 gelebt hatte und diese ohne Abmeldung 1939 verlassen habe.

Weiter teilte er mir mit, dass die Nibelungenstraße 90 heute Arnulsstraße 300 heißt und durch die Bombardierung Münchens ist das ursprüngliche

Aussehen nicht mehr erkennbar.  Sie hatte sich am 24.3.1923 für die Nibelungenstr. angemeldet, meldete sich dann am 20.9.1938 in der Menzinger Str. 17 (heute 71) an und dann am 10.6.1939 in die Kaulbachstraße.Abgemeldet hat sie sich nicht, es kann sein, dass sie zu Kriegsbeginn als britische Staatsangehörige die Stadt verließ. (23) Ich habe auch abgeklärt, ob sie evtl. in München verstorben ist und dort beerdigt wurde, das ist nicht der Fall.

 Dann verliert sich vorläufig ihre Spur erneut. Nachforschungen, ob sie vielleicht zu ihrem Schwager Fellner nach England zog oder in die USA verliefen im Sande. Sie war 1939 ja 68 Jahre alt oder 71, je nachdem welches Geburtsjahr man zu Grunde legt.

         Aber es taten sich neue Fragen auf:

 

-         bei der Überfahrt 1890 auf der „Suevia“ ist keine genaues Geburtsdatum angegeben, sondern nur das Alter von 22 Jahren, da wäre sie dann 1868 geboren worden

-         im Melderegister von Den Haag, wo sie als Antoinette White Hurst, geb. Wendt lebte ist als Geburtsdatum der 11.5.1868 vermerkt

-         nach dem Melderegister in München ist sie am 11.5.1863 in Himmelpfort geboren

-         im Census von New York (Manhattan) ist angegeben, dass sie im Mai 1871 geboren wurde

-         bei der Ehe von 1912 in Bufallo ist ihr Alter mit 42 Jahren angegeben, das wäre das Geburtsjahr 1871

 Mein Fazit daraus ist, dass es auffallend ist, dass zweimal der 11.5. als Tag und Monat der Geburt angegeben ist und einmal im Census der Mai.

Die Eltern in Himmelpfort sind Wilhelm Wendt und Pauline, geb. Wagner – sie sind auch im Dokument der zweiten Eheschließung in Bufallo erwähnt.

Da sich aus den beiden Eheschließungen und im Census das Jahr 1871 ergibt, könnte es sein, dass sie sich jünger gemacht hat, das war bei der fehlenden Personenstands-Registrierung in den USA ohne weiteres möglich. Es handelt sich also in allen Fällen um die gleiche Person.

   1. Biografie der Encyclopedia Titanica, sie wird – wie in den USA üblich Mrs. Alfred Flegenheim genannt

 2. William L. Walker, New Windsor, NY – Newburgh Daily News, 26.4.1912: Saw survivors leave the ship

 3. Voyage – Elusive passenger pens story. Daniel Klistorner und Charles Provost

 4. Pfarrer i.R. Erich Köhler, Fürstenberg-Bredereiche –

Bescheinigung der Evangelischen Kirchengemeinde Bredereiche, Zootzen und Himmelpfort, Pfarramt Bredereiche vom 10.9.2010 – damals Kreis Templin

 5. Landesarchiv Brandenburg, Signatur Rep 2A III F, Nr. 9726 Oberförsterei Himmelpfort

 6. Hr. Suter, Brandenburg

 7.  Evangelisches Zentralarchiv Berlin

 8. Jetzt in Polen, leider sind hier keine Aufzeichnungen verfügbar

 9.Volkszählung vom 1.12.1900 im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin

 10. Hamburger Passagierlisten 1850-1934 und Castlegarden.org

 11. Bei der Eheschließung mit ihrem zweiten Mann Paul Elliot White-Hurst am 20.6.1912 in Buffalo, NY gibt sie ihr Alter mit 47 Jahren an, was als Geburtsjahr 1865 bedeutet. –

Bei der Reise auf der Kaiser Wilhelm II., Ankunft lt New York Passenger Lists am 3.10.1905 ist sie dann 36 Jahre alt, also wäre sie 1868 geboren worden.

 12. Auskunft des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main

 13. Er nannte sich Helmut Fellner – lt. Ausstellung „Pioniere in Celluloid“ im Centrum Judaicum, Berlin – seine Frankfurter Adresse war Wöhlerstr. 8 . Er emigrierte nach England und beging dort Suizid. Seine Witwe Berta reiste nach dem 2. Weltkrieg mehrfach in die USA zu einer Familie Somlo. Josef Somlo war ein Partner von H. Fellner bei dessén Filmfirma vor 1933. Angaben sind von „Kasstor“-Thomas von Ahnenforschung.net.

 14. New York Tribune, 28.2.1902

 15. Geoffrey Stein, Albany – ehemaliger Chefhistoriker des „New York State Museums“. Der Name des Ehemannes wird mit  Alfred Fligenheimer angegeben und das der Ehefrau mit Tony Wendt!  -

Ehekontrakt Manhattan 13072 entnommen der Recherche der Internetseite der Italian Genealogical Group New York    

 16. Unterlagen von Ellis Island

 17. Traueranzeige in der New York Times vom 24.11.1907 – als letzte Wohnanschrift war

241 E 23d St. angegeben

 18. Berliner Adressbuch – Landeszentralbibliothek Berlin

 19. Artikel und Interview zu einem Katalog des  „Albany Institute for History and Art“, in dem sie anlässlich einer Ausstellungseröffnung, für die sie einige Gegenstände zur Verfügung gestellt hatte. Daniel Klistorner und Charles Provost haben in der „Voyage“ - Frühjahr 2008 - einen Artikel veröffentlicht, der am 23.5.1912 in einem Magazin, dem „N.Y.A.I. Catalogue“ erschienen ist. -Newburgh Daily News, 20.4.1912 – nach Angaben des befreundeten Ehepaars Walker

20. Berliner Lokalanzeiger v. 20.4.1912

 21. Heiratsurkunde – sie war mir von Jane Lowe einer Großnichte von P. E. Whitehurst übermittelt worden – ihr verdanke ich viele wertvolle Hinweise über ihn.

 22. Melderegister Den Haag – Mitteilung von Jan Willem Kooistra mit Mail von 7.8.2011 – Himmelpfort war damals dem Kreis Templin zugehörig -

 23. Adressbuch München

 24. Archivdirektor Hans-Joachim Hecker mit Mail vom 5.8.2010