Jubiläums-Pilgerfahrt nach Tschenstochau
Dieser Artikel 2007 ist
im Pfarrbrief der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius, Berlin-Kreuzberg
und im Podcast auf deren Webseite erschienen.
Die Kirche St. Bonifatius
in Berlin wurde vor 100 Jahren eingeweiht. Zur Kirchengemeinde gehört heute auch
die St.-Johannes-Basilika. Letztere wird überwiegend von der Polnischen
Katholischen Mission genutzt, die ebenfalls dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen
feiert.
Um die beiden Jubiläen
auch mit einer gemeinsamen Unternehmung würdig zu begehen wurde Ende Dezember
von Herrn Pfarrer Ulrich Kotzur, Pater Tadeusz Nieweglowski SDB, Frau Bozena
Seidel und Frau Elfriede Anneser (Pfarrgemeinderat St. Bonifatius) vereinbart,
eine gemeinsame Pilgerfahrt nach Tschenstochau/Częstochowa zu unternehmen.
Vom 28. bis 29.4.2007
traten nun 50 (?) Pilger – etwa die Hälfte mit polnischer Mutter-sprache – in
einem Bus die Reise an.
Tschenstochau ist
schlechthin das Herz Polens. Dieses mit seiner durch Spaltungen, Kriege und
diktatorischen Regimen leidvoll geprüfte Land hat durch die Jahrhunderte die
spirituelle Kraft zu Überleben aus diesem Wallfahrtsort geschöpft. Jasna Góra
(der helle Berg) ist eines der größten Marienheiligtümer der Welt und das größte
von Mittel- und Osteuropa! Es ist gleichzeitig DAS Nationalheiligtum Polens.
Sechshundert Jahre lang lebten hier die Paulinermönche und die Ikone der
„Schwarzen Madonna“ besuchen jedes Jahr bis zu vier Millionen Pilger.
Das Marienbild war 1382
von Prinz Władisław Opolczyk, dem Statthalter des ungarisch-polnischen Königs
Ludwig I., aus der ukrainischen Stadt Belz geholt und den Mönchen in
Tschenstochau geschenkt worden. Der Belagerung 1655 durch die übermächtigen
schwedischen Truppen konnte der damalige Prior Pater Augustin Kordecki mit nur
260 Verteidigern 40 Tage siegreich standhalten. Das begründete den Ruhm der
„Festung Mariens“. 1656 stellte der König Johann II. Kasimir im Dom von Lemberg
alle Länder des Königreichs unter den Schutz der Mutter Gottes – somit war und
blieb das Heiligtum von Jasna Góra das einigende Symbol Polens schlechthin.
Nun zu uns Pilgern. Bei
Gebet, Gesang – abwechselnd deutsch und polnisch – ging die lange Busfahrt
schneller vorbei als zu erwarten war. Schnell auch fanden die
verschiedensprachigen Mitreisenden zueinander! Beide Gruppen halfen sich –
besonders bei Sprachproblemen waren unsere Polnisch sprechenden Freunde sehr
hilfbereit. Natürlich wurde nicht nur gebetet – es wurde auch viel gelacht!
Und dann war Jasna Góra
schon von Weitem durch den 106 m hohen Turm zu sehen!
Untergebracht waren wir
im Pilgerheim Johannes Paul II. gleich an der Festung des Heiligtums. Pater
Tadeusz hatte eine deutschsprachige Führung durch das Kloster organisiert und
diese war ausgesprochen informativ!
Abends trafen wir uns
dann auf dem riesigen Freigelände vor den Festungsmauern. Dort hatte Papst
Johannes Paul II. vor ca. 2 Millionen Menschen die Hl. Messe gefeiert und auch
Papst Bendedikt XVI. tat es seinem Vorgänger gleich und seine erste Pilgerreise
führte ihn in dessen Geburtsland (in Polen als bemerkenswerte Geste
wahrgenommen!).
Beeindruckend war bei
dieser abendlichen Andacht – sie nannte sich Appell vor dem Gnadenbild – die
Anwesenheit von etwa 10.000 polnischen Studenten aus dem ganzen Land. Die
Professoren traten mit Talar an und Vertreter der studentischen Verbände mit
Korps-kleidung. Die zurückhaltende Disziplin und würdige Haltung dieser jungen
Menschen
war bewundernswert. Frau
Bozena Seidel trug während des Rosenkranzgebets auch ein Gesätz des „Ave Maria“
auf Deutsch vor. Auf Polnisch wurde von den vielen Menschen mit dem zweiten Teil
geantwortet. Eine schöne Erfahrung! Ein Bischof spendete den Abendsegen.
Rechtschaffen müde waren
wir alle – was tut man da? Wir gingen schlafen.
Der Sonntagmorgen begann
mit einer Hl. Messe mit unserer Danksagung direkt vor dem Bild der Wunderbaren
Madonna. Die Gnadenkapelle war überfüllt, auch die in dem Kloster- und
Festungskomplex vorhandenen anderen Kirchen. Wir konnten nun das Gnadenbild der
Schwarzen Madonna aus nächster Nähe betrachten. Es hat nichts Liebliches an
sich. Das Ge-sicht Marias ist herb und durch zwei Messerstiche – die ihm vor
Jahrhunderten ein Räuber zugefügt hatte – gezeichnet. Man kann sich gut
vorstellen, dass Menschen in Not mehr zu dieser Mariendarstellung Zuflucht
suchen, als zu einer Darstellung die dem gängigen Schön-heitsideal entspricht.
Hier ist eine Mutter zu sehen, die Leid erfahren hat.
Die Messe wurde von Pater
Tadeusz gelesen. Herr Pfarrer Kotzur hielt die Predigt und wies darauf hin, dass
die Mutter auf ihr Kind weist, um darzulegen, dass hier die bedeutendere Person
zu sehen ist. Sinnbild der Kirche, die auch auf Christus als den Heilsbringer
hinweist. Eine wunderschöne Deutung des Gnadenbildes!
Für uns ungewohnt war,
dass der Umgang in der Gnadenkapelle (um das Gnadenbild) die ganze Zeit von
Gläubigen in Anspruch genommen war, die sich dort auf Knien betend
vorwärtsbewegten,. Eine Form der Religiosität die so selbstverständlich
wahrgenommen wird, dass sie Bewunderung und auch etwas Wehmut nach Verlorenem
bei uns hervorrufen kann.
Nach dem Gottesdienst
schloss sich eine Freizeit an und dann ein gemeinsames Rosenkranz-gebet an
Stationen auf der großen Versammlungswiese. Dieser wurde wie alle Gebete halb
deutsch und halb polnisch gebetet – manchmal zur freundlichen Verwunderung der
vielen, vielen Gläubigen, die sich auf dem Jasna Góra befanden.
An diesem Tag sah man
auch viele ältere Herren in polnischen Uniformen. Natürlich denkt ein deutscher
Mensch dabei sofort an Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische
Besatzung Polens. Es waren aber Menschen, die jedes Jahr der Madonna ihren Dank
für ihr Überleben abstatten. Es handelte sich um ehemalige polnische Soldaten,
die von den Sowjets zu Gruben-Zwangsarbeiten verschleppt worden waren.
Nachmittags mussten wir
dann Abschied nehmen – beteten aber noch den Kreuzweg (wieder abwechselnd
zweisprachig) auf der Festungsmauer. Im Graben darunter befinden sich die
imponierenden Kreuzwegstationen.
Es gab wohl niemanden in
der Pilgergruppe, der nicht von dem besonderen Geist des Ortes erfüllt worden
ist. Der Wunsch, Tschenstochau erneut zu besuchen ist sicher bei vielen
vorhanden. Als großer Erfolg – der hoffentlich auch ausstrahlt – ist das
wirklich sehr gute Einvernehmen der deutschen mit der polnischen Gruppe zu
bewerten (ein weiterer Erfolg der Schwarzen Madonna?).
Ein großer Dank gebührt
Pater Tadeusz für eine hervorragende Organisation!
Gerhard
Schmidt-Grillmeier